An dieser Seite wird noch gearbeitet -- still under construction - last
updated: 02.07.1996
Von Martin Roth mroth@techfak.uni-bielefeld.de
Der Communications Decency Act
Ein Versuch der Zensur oder notwendige Regulierung?
Als der Kongress der USA Anfang Februar eine Reforn des Telekommunkationsgesetzes
(Telecom reform bill) verabschiedete, das unter anderem den "Communications
Decency Act," als Gesetzeswerk enthielt, ging ein Aufschrei des
Protestes durch das Internet.
Der "Communications Decency Act" bedroht jeden, der "indecent",
also "unanständigiges" Material in öffentlichen Online-Diensten
zur Verfügung stellt, mit Geldstrafen bis zu 250000 $ oder bis zu 2
Jahren Gefängnis.
Aufrufe, die eigenen Web-Seiten als Zeichen der Trauer schwarz zu hinterlegen,
sich der Campagne für freie Rede anzuschließen (Blue Ribbon Campaign)
und Protestbriefe an Präsident Clinton und die Mitglieder des Senates
zu schreiben, wurden von zahlreichen Organisationen gestartet.
Ungeachtet dieser Proteste sollte das Gesetzeswerk Rechtskraft erlangen,
als es am 08.02. 96 vom Präsidenten
unterzeichnet wurde. Am 15.02.96 verhängte der US-Bezirksrichter
Ronald L. Buckwalter eine einstweilige Verfügung gegen die Anwendbarkeit
des am meisten umstrittenen Abschnittes des CDA, da der Begriff "indecent"
ungenügend definiert sei und setzte die erste Anhörung auf den
15. März fest.
(...)
Am 12. Juni ist der CDA von einem Amerikanischen Bundesgericht in Philadelphia
für verfassungswidrig erklärt worden. Ein erster, vorläufiger
Erfolg für die engagierten Befürworter der Redefreiheit im
Netz.
Doch damit ist die gesetzliche Regulierung von Inhalten im Internet nicht
verhindert. Das Gesetz wird, eventuell nach einigen Änderungen,
dem höchsten amerikanischen Gericht zur erneuten Beurteilung vorgelegt
werden.
Welche Ziele hat der "Communications Decency Act"?
- offenkundig Schutz Minderjähriger vor ausdrücklich
sexuellen Inhalten
- hintergründig Mittel der Zensur von (politisch/gesellschaftlich)
unerwünschten Inhalten ?
Welche Vorteile hat der CDA?
- er ist ein Versuch, negative Auswirkungen des Internets auf einzelne
und auf die Gesellschaft/die Kultur zu begrenzen
Welche Schwächen hat der CDA?
- seine Formulierungen (speziell der Begriff "indecent"
) sind sehr vage und vielseitig auslegbar
- kommerzielle Pornographie wird davon (wahrscheinlich) nicht berührt
-> Inkonsequenz
- die Verfassungsgrundsätze der Freiheit der Religion, der Rede
und der Presse werden eingeschränkt
- fragliche Effektivität im Bezug auf Schutz von Minderjährigen
vor jugendgefährdenden Inhalten
1.Einige Anmerkungen zur Geschichte des CDA
(Auszug eines Artikels von Heimo Ponnath,
Journalist :) "Es sollte also der altehrwürdige erste Zusatz
zur Verfassung (First Amendment ) (Freiheit der Religion, der Rede
und der Presse, 1791) über Bord geworfen werden. Senator Jim Exon (Demokrat
aus dem Bundesstaat Nebraska) schaffte es nach ersten vergeblichen Versuchen
schließlich im Juli 1995, im Senat eine Mehrheit für sein Gesetz
für Schicklichkeit bei der Kommunikation (Communications
Decency Act) stimmen zu lassen. Im Rahmen eines umfangreichen Gesetzeswerkes
zur Kommunikation sollte es Geldstrafen bis zu 250.000$ und Haft bis zu
zwei Jahren für diejenigen geben, die im Netz mit "obszöner,
lüsterner, schlüpfriger, unflätiger oder unzüchtiger"
Sprache verkehren. Online-Dienste und Internetprovider sollten für
solche illegalen Inhalte haftbar gemacht werden
Den nötigen Weg durch das Repräsentantenhaus schaffte das Exon-Bill
aber nicht: Der Sprecher des Hauses - Newt Gingrich - machte auf die Verfassungswidrigkeit
aufmerksam. Zwei Abgeordnete (Chris Cox und Ron Wyden) gingen sogar noch
weiter: Sie entwarfen einen Gesetzesvorschlag zur Freiheit im Internet und
zur Stärkung der Rechte von Familien (Internet Freedom and Family Empowerment
Amendment), der am 4. August 1995 mit gewaltiger Mehrheit angenommen wurde.
Doch die Retter der amerikanischen Verfassung hatten nicht mit der Findigkeit
Exons gerechnet. In einem anderen Zusatz zum Telekommunikationsgesetz fand
er ein Hintertürchen: Das Manager's Amendment formulierte ähnliche
Einschränkungen der Verfassung wie das Exon-Bill. Um die widersprüchlichen
Gesetze neu zu formulieren, bildete sich ein Komitee, in das aber weder
Cox noch Wyden, dafür jedoch Exon und Henry Hyde aufgenommen wurden.
Letzterer gehört zur Christlichen Koalition, die sich zuvor noch für
eine Verschärfung des Exon-Bill eingesetzt hatte und von ihm stammte
das fragliche Manager's Amendment.
Rick White, ein Abgeordneter aus Washington, unterzog sich der schweren
Aufgabe, ein Papier zu entwerfen, das die beiden widersprüchlichen
Gesetze vereinen sollte. Es gelang ihm auf bewundernswerte Weise. Vor allem
ersetzte er das schwammige Wort "unzüchtig" durch die prägnantere
Definition "gefährdend für Minderjährige". Online-Dienste
und Internet-Provider wurden aus der Haftbarkeit entlassen. Im Prinzip entsprach
die neue Formulierung den Absichten des deutschen Paragraphen 184 StGB und
vor allem geriet sie nicht in Konflikt mit der amerikanischen Verfassung,
die ebenfalls den Schutz von Minderjährigen beinhaltet. Das Komitee
nahm diesen Entwurf an.
Und nun geschah etwas merkwürdiges: Hyde und ein Abgeordneter aus Virginia
namens Bob Goodlatte setzten anstelle von Whites "gefährdend für
Minderjährige" wieder das alte Wort "unzüchtig"
ein. Dann stimmte das Komitee am 6.12.1995 ab und mit der knappen Mehrheit
von einer Stimme war der veränderte Vorschlag abgesegnet. So hat es
das Exon-Bill über einen Umweg und eher marginale Veränderungen
doch noch geschafft, die amerikanische Verfassung ernsthaft zu gefährden.
Es setzte ein Sturm
der Empörung ein: Das renommierte Magazin Wired und auch Hotwired
riefen - unterstützt durch die Electronic Frontier Foundation und andere
Organisationen - zu einer Rallye
und Demonstration am 14.12.1995 in San Franzisko auf. Die EFF
(Electronic Frontier Foundation) argwöhnt, daß der Pornographievorwurf
nur als Hebel eingesetzt wird, die Informationsfreiheit im Internet einzuschränken.
Die Befürchtung kommt nicht von ungefähr: Dies ist nicht der erste
Angriff staatlicher Organe auf die Freiheit des Internet. So wurde z.B.
in langwierigen Gerichtsverfahren vor einiger Zeit das Thema Clipper-Chip
ad acta gelegt, ein Chip, mit dessen Hilfe es Behörden möglich
gewesen wäre, auch verschlüsselte Mail mitzulesen. Außerdem
heißt das Wort "indecent" nicht nur "unzüchtig",
sondern auch noch "unanständig, anstößig, unschicklich,
ungehörig, ungebührlich"(zurück).
Das führt weit von der Pornographie weg - auch Kritik jeglicher Art
kann als ungehörig empfunden werden.
(Ende des Auszugs aus dem Artikel von
Heimo Ponnath, ) ...
2. Meinungen zum Thema
2.1 Die Initiatoren und Befürworter des CDA
2.2 Die Bekämpfer und Gegner des CDA
2.3 Die Presse über den CDA
2.4 Prominente gegen Zensurbestrebungen
- Bill Gates sieht die "Früchte
des Information-Highways vor der Zeit verdorren, wenn die Zensoren im Netz
die Oberhand gewinnen."
- Philip Kahn
ehemaliger Eigentümer und Chef von Borland: (lokale
Kopie des Artikels )"Der Preis unserer Freiheit besteht in
der Bürde, auch die übelsten öffentlichen Äußerungen
ertragen zu müssen. Wer einmal mit Zensur anfängt, wird nie mehr
wissen, wann und wo er damit aufhören muß".
3.Essay zum Thema
Ein vielzitierter Spruch des Internet-Gurus John Gilmore:"Das
Netz interpretiert Zensur als Störung und sucht eine Umleitung".
Wird diese Aussage in Zukunft noch weiterhin gelten? Sofern die Funktionsweise
des Internet sich nicht grundsätzlich ändert, wohl ja, aber nur
in technischer Hinsicht. Was die Technik ermöglicht und was die Menschen
tun, ist nicht immer deckungsgleich. Mit einem Auto kann man auch schneller
als die erlaubte Geschwindigkeit fahren, und tut es nicht aus Vernunft,
oder aus Angst vor Sanktionen. Radarfallen im Internet- die das Downloaden
oder das Zurverfügungstellen von verbotenen Inhalten protokollieren
und dem Datenhighwaysünder den Bußgeldbescheid ins Haus schicken,
hätten sicherlich den Effekt, daß die Benutzer den Umleitungen
nicht folgen wollen.
Von daher ist John Gilmores Ansicht über die Unbegrenzbarkeit des Netzes
sicherlich übertrieben optimistisch.
Ebenso sind die Ängste, Pornographie, Bombenbauanleitungen und kriminelle
Machenschaften würden das Netz überfluten und die Seelen der Kinder,
die Kultur und die Gesellschaft als ganzes verderben übertrieben pessimistisch.
Aber diese Ängste scheinen doch, wenn man der Berichterstattung der
klassichen Medien folgt, die Oberhand zu gewinnen und von Gegnern der freien
Meinung, von obrigkeitsstaatlich Denkenden, von totalitaristisch Interessierten
benutzt zu werden, ihre Interessen zu verwirklichen. Die Geschichte des
CDA, die eng mit zumindest den ersten beiden Personengruppen in Verbindung
gebracht werden kann, zeigt mir dies deutlich auf. Ebenso die Nachrichten,
die über Singapurs und Chinas Internetpolitik, um nur zwei krasse Beispiele
zu nennen, zur Verfügung stehen.
Aber nicht nur Zensurmaßmahmen ebnen einen Weg zur Big-Brother kontrollierten
Gesellschaft. Ebenso gefährlich sind meines Erachtens die Bestrebungen
zur Kommerzialisierung des Internet.
Sie sind weniger offensichtlich, werden von mehr und mächtigeren Menschen
als erstrebenswert angesehen, und folgen logisch aus der Grundmaxime des
kapitalistischen Denkens. Aus diesem Grunde sind die Bestrebungen zur Kommerzialisierung
des Internet auch schwieriger abzuzwehren als Zensurgesetze. Aber ihre Folgen
wären , auf lange Sicht, für die Menschen in wesentlichen Punkten
identisch: Gänzlich fremdbestimmt zu denken und zu handeln.
(...weiter ausführen...)
Welche Organisationen liefern weitere Informationen und organisieren
den Protest?
Public Interest Organizations
- American Civil Liberties Union http://www.aclu.org
- Voters Telecommunications Watch (VTW) URL:http://www.vtw.org
- Center For Democracy And Technology (CDT)URL:http://www.cdt.org/
- Citizens Internet Empowerment Coalition (CIEC) URL:http://www.cdt.org/ciec/index.html
- Computer Professionals for Social Responsibility (CPSR) URL:http://www.cpsr.org/
- Electronic Fronter Foundation (EFF) URL:http://www.eff.org/pub/Alerts/,
and independent regional Electronic Frontier organizations
- Electronic Privacy Information Center (EPIC) URL:http://epic.org/
- Center for Public Representation (CPR)
- Feminists for Free Expression
- Internet Users Consortium (IUC)
- The Libertarian Party (LP)
- Promotions Political Action National Campaign for Freedom of Expression
Committee (JAMPAC)
- National Coalition Against Censorship (NCAC)
- People for the American Way (PFAW)
National Gay and Lesbian National Writers Union (NWU)
Businesses
Quellen